Japan – respektvoll, freundlich, gelassen

JapanEinen ganzen Monat verbrachte ich diesen Sommer in Japan. Ich fühlte mich unter den Japanern sehr wohl, weil ich sie als sehr respektvoll und freundlich erlebte. Sogar in der Metropole Tokio, wo ich es hektisch erwartet hatte, blieben die Menschen ganz gelassen. Im Gegensatz dazu erlebte ich die Menschen in London als ziemlich gestresst, sie rannten gehetzt die Rolltreppen rauf und runter.

Obwohl der Arbeitsweg vieler Japaner sehr lange ist – mitunter zwei Stunden pro Weg sind keine Ausnahme – sah ich die Japaner nie in Eile. Als wir einmal am Bahnhof nach dem richtigen Zug Ausschau hielten, bemerkte eine Japanerin, dass wir unschlüssig waren, welcher denn nun der richtige sei. So verliess sie ihren Platz aus der für Japaner üblichen Warteschlange ihres Zuges, um uns von sich aus zu helfen. Tatsächlich wären wir dieses eine Mal in den falschen Zug eingestiegen, hätte sie uns nicht geholfen. Sie kam mit uns bis zum richtigen Perron und verabschiedete sich. Sie nahm in Kauf einen späteren Zug zu nehmen und noch später nach Hause zu kommen. Ich war ob ihrer Freundlichkeit wirklich beeindruckt.

In Zürich erlebe ich es so, dass die meisten Menschen eher nicht ihr Tram oder ihren Bus verpassen wollen nur um jemandem zu helfen. Hier dünkt es mich eher so, dass man hilft, aber wenn das ersehnte Verkehrsmittel da ist, muss man unbedingt weiter… Natürlich gibt es auch in der Schweiz Menschen, die ganz gelassen sind und sich mehr Zeit nehmen.

Dennoch, in Japan ist diese Gelassenheit allgegenwärtig. Zu keiner Tageszeit habe ich die Japaner gehetzt gesehen. Sogar wenn sie um zehn Uhr abends im Zug unterwegs nach Hause sind, bleiben sie gelassen und freundlich. Sie standen sogar von den wenigen begehrten Sitzplätzen im Zug immer auf, um unserem kleinen Sohn (und uns) den Platz zu überlassen. Oder wenn jemand einen letzten freien Platz neben sich hatte, stand er auf und setzte sich auf einen einzelnen Platz, damit unser Sohn mit einem von uns nebenan sitzen konnte. Eine solche konsequente Aufmerksamkeit kleinen Kindern gegenüber habe ich leider nie in Zürich beobachtet. Hier ist ein solches Verhalten sehr selten.

In Japan musste ich an meine Ferien in China denken, ich dachte damals dieses Vordrängeln sei eben normal, weil so viele Chinesen in den Grossstädten leben… Doch in Japan habe ich gelernt, dass dies alles nur eine Mentalitätssache ist. Auch wenn noch so viele Menschen in Tokio oder Kyoto leben, sie stehen überall geduldig an.

Was mir auch sehr gefiel, war dass man einander in Japan stets registriert. Die Japaner sind äusserst aufmerksam und respektvoll, sie gehen nicht einfach an den anderen Menschen vorbei, sie signalisieren stets mit einem leichten Kopfnicken, dass sie einen bemerkt haben. Währenddessen man hier möglichst weiter geht ohne Augenkontakt aufzunehmen.

Ich habe mir zum Ziel gesetzt etwas „Japan“ in die Schweiz mitzunehmen und nach Möglichkeit zu versuchen diese allgegenwärtige Gelassenheit mehr zu leben, diesen respektvollen Umgang unter den Menschen sowie diese Aufmerksamkeit und Freundlichkeit dem Gegenüber etwas mehr in meinen Alltag zu integrieren. Ich finde, es lohnt sich, denn es macht das Zusammenleben viel angenehmer. Vielleicht habe ich damit auch etwas in Ihnen angeregt oder Sie machen Ihre eigene Erfahrung und reisen selber nach Japan?